250 E-Mails am Tag, 40.000 Flugmeilen im Jahr - das hält auf Dauer nur ein sehr robuster Mensch aus. Die Medien-Expertin Miriam Meckel wurde durch ein Burnout aus ihrem Business-Leben katapultiert. Über ihre Erfahrungen hat sie ein eindringliches Buch geschrieben.
Sie war Deutschlands jüngste Professorin, dann Regierungssprecherin und Staatssekretärin, beriet Unternehmer und Politiker, schrieb zahlreiche Bücher, Artikel und Essays, hatte noch dazu ein aktives Privatleben: Miriam Meckel ist das, was man gemeinhin als "Power-Frau" bezeichnet.
Doch dann kam im September 2008 der Zusammenbruch. Hörsturz, kaputter Magen, Konzentrationsprobleme, tiefe Erschöpfungszustände - Diagnose: Burnout.
Extreme Informationsüberlastung
Die Medien-Expertin, die selbst noch in ihrem letzten Buch ("Das Glück der Unerreichbarkeit") vor den Gefahren der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien gewarnt hatte, tappte in die Falle der Selbstüberforderung und Immer-Erreichbarkeit. Sie litt an einer extremen Informationsüberlastung.
Unmenschliche Arbeitswelt
Nach dem Freitod des Nationaltorwarts Robert Enke im November 2009 sind psychische Erkrankungen und Erschöpfungszustände wie Depressionen und Burnouts stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Miriam Meckels neues Buch "Brief an mein Leben" (Rowohlt, 18,95 Euro) passt perfekt zu der aktuellen Debatte über die moderne (Arbeits-)Welt, die sich immer schneller dreht und immer unmenschlicher wird.
Mehr und mehr Leute erkennen, dass Kommunikations-Technologien wie Mobiltelefon und E-Mail Segen und Fluch zugleich sind. Und dass es in Ordnung ist, offen zuzugeben, wenn man dieses komplexe und anspruchvolle Leben nicht mehr packt. Schätzungen zufolge leidet bereits jeder dritte erwachsene Bundesbürger an mehr oder minder schweren Burnout-Symptomen.
Schlafentzug und Stubenarrest
In "Brief an mein Leben" Buch erzählt Meckel in einem angenehm ruhigem Grundton von ihrem Aufenthalt in einer Klinik im Allgäu. Zunächst erfüllt sie ihren Therapieplan ebenso überkorrekt und pflichtbewusst wie ihr bisheriges Arbeitsleben. Doch tief in sich drinnen spürt sie immer wieder Widerstände gegen diese Art der Anpassung. Ein Erfolg?
Meckel erhält zwei Tage medizinischen Stubenarrest, "Inaktivitätstage", die sie an ihre psychischen Grenzen bringen. Sie darf nicht lesen - eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen - nicht fernsehen und vor allem: nicht mit anderen Mensch reden.
Auch andere Formen der Therapie setzen der 42-Jährigen zu: ein 40-stündiger Schlafentzug, Klettern im Hochseilgarten, die Beziehungsaufstellung einer Mitpatientin.
Seelische Verletzungen
Während der stillen Stunden in ihrem Klinikzimmer setzt sich Meckel intensiv mit ihrem bisherigen Leben auseinander, mit seelischen Verletzungen, von denen sie sich in all den Jahren durch viel Arbeit und Aktionismus abgelenkt hat: Die Selbstmorde von zwei Jugendfreunden, der Tod der Mutter, die Erziehung zum "starken Mädchen", das nicht weint.
Und zwischendurch kommt in ihren Erzählungen immer wieder die Kommunikationswissenschaftlerin durch, die die Kommunikationsstrukturen im eigenen Leben analysiert.
Pause machen vom anstrengenden Alltag
"Brief an mein Leben" ist ein eindrucksvolles Buch. In einigen Rezensionen wurde Miriam Meckel vorgeworfen, Banalitäten zu erzählen. Man kann das auch anders sehen: Meckels neuestes Werk kann und soll jeder verstehen.
"Brief an mein Leben" ist eine Lektüre, die nahegeht - gerade durch ihre einfache Sprache und die manchmal simplen Erkenntnisse über das Leben, die man im Alltag doch allzu gern übersieht oder verdrängt.
Erste Anzeichen der ungesunden Selbstausbeutung
Für Menschen, die selbst Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen und Klinikaufenthalten gemacht haben, mögen Meckels Schilderungen viel Bekanntes enthalten. Alle anderen bekommen durch "Brief an mein Leben" einen guten Einblick in die Welt der Burnouts und Depressionen - und werden sensibilisiert für erste Anzeichen der eigenen ungesunden Selbstausbeutung.
Zuweilen fühlt man sich beim Lesen von Meckels Buch, als würde man selbst in der Klinik im Allgäu sitzen - und endlich einmal Pause machen vom anstrengenden Kommunikations- und Aktions-Alltag.
Text: Annika Mengersen

Miriam Meckel, geboren 1967, studierte in Münster und Taipeh Kommunikations- und Politikwissenschaft, Jura und Sinologie und promovierte über "Europas Fernsehen zwischen Integration und Segmentierung". Mit 31 Jahren machte sie als jüngste Professorin Deutschlands Furore, war Leiterin des Instituts für Kommunikations- wissenschaft in Münster. Zwei Jahre später nahm sie den Posten als Regierungssprecherin des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen an, später war sie Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Seit 2005 ist Meckel Direktorin für Medien und Kommunikations- management an der Universität St. Gallen. Viel Aufmerksamkeit erregte die 42-Jährige, als sie sich im November 2007 auf einer Veranstaltung für Verständigung und Toleranz öffentlich mit ihrer Lebensgefährtin, der TV-Moderatorin Anne Will, zeigte.

Foto: Rowohlt
In ihrem Buch "Brief an mein Leben" erzählt die Professorin Miriam Meckel über ihre persönlichen Erfahrungen mit einem Burnout. Um den Titel im Online-Shop zu bestellen, klicken Sie einfach auf das Cover.